(Von Kai Gerullis)
Spätestens seit dem Mittelalter ist Bier aus den Wirtshäusern Hamburgs nicht mehr wegzudenken. Rund um Elbe und Alster eröffneten hunderte Brauereien, die ihre direkte Umgebung mit Gerstensaft versorgten. Dieser entwickelte sich in der frühen Neuzeit sogar zum allgemein anerkanntes Volksgetränk – was vermutlich dem damals eher geringen Alkoholgehalt zu verdanken war (1).
Auch vor den Toren der Hansestadt florierte der Bierhandel. 1608 zählte das kleine Städtchen Bergedorf neun Brauereien (2) – ihre Zahl blieb über fast 300 Jahre nahezu konstant. Erst im Ersten Weltkrieg sind nahezu alle Brauhäuser verschwunden. Heute zeugen im seit 1937 zu Hamburg gehörenden Bergedorf nur noch wenige Spuren von den Aktivitäten der Brauer-Zunft. Viele Betriebe mussten Neubauten weichen, die ehemalige Brauerstraße ist mittlerweile nach einem ehemals ansässigen Musikwissenschaftler benannt. Auf den ersten Blick leicht zu übersehen, hat dennoch ein imposantes Bauwerk die Jahrhunderte überstanden: Unter dem Sand des Geesthangs sind die Eiskeller der ehemaligen Actien-Bier-Brauerei zu Bergedorf nahezu unverändert erhalten.
Die Geschichte der Actien-Brauerei begann 1863. Auf einem bis dahin unbebauten Areal zwischen der gerade fertiggestellten Bahnlinie Hamburg-Berlin und einer langgezogenen Schleife der Bille entstand eine Brauerei, die damals dem neuesten technischen Standard entsprach (3). Die Nähe zu dem Fluss galt als grundlegend, wie schon vor dem Bau betont wurde: „Das Wasser der Bille ist anerkannt ein zum Bierbrauen sehr geeignetes ... Das zweite Erfordernis zur Erzeugung guten Bieres sind durchaus trockene Keller ... die Nähe des Wassers für das Vorhandensein von Eis, und zwar des besten, des Bacheises" (4)
Dieses Eis wurde schließlich nach Inbetriebnahme der Brauerei im Winter aus drei extra angelegten Brauereiteichen geschnitten und in den riesigen Gewölben des Eiskellers eingelagert. Und das hatte einen guten Grund: Lang anhaltende milde Temperaturen stellten die Braumeister spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts vor große Probleme: Zunehmend eroberte untergäriges Bier mit höherem Alkoholgehalt die Krüge. Doch um Sorten zu brauen, die heute als Pils oder Lager bekannt sind, galt: Während der mehrwöchigen Gärung musste es kalt sein; am besten zwischen 8 und 14 Grad Celsius (5). Leistungsfähige industrielle Kühlanlagen gab es nicht, sie standen erst nach der Entwicklung des Linde-Verfahrens um 1900 zur Verfügung.
So wurde der verzweigte Eiskeller im Bergedorfer Geesthang direkt unter den Brauereigebäuden zu einem Herzstück der Anlage. Durch das eingelagerte Eis sank die Temperatur in den gemauerten Hallen mitunter bis zum Gefrierpunkt, in vielen vergleichbaren Anlagen wurde Stroh als Isolierschicht eingesetzt (6). So konnte das Bier das gesamte Jahr über unter idealen Temperaturen hergestellt und kühl gelagert werden. Zudem bescherte das gefrorene Nass der Brauerei eine zusätzliche Einnahmequelle – denn das Eis wurde im Sommer an Gasthäuser verkauft (7).
Die Geschichte der Actien-Brauerei endete bereits 1874. Weil der Verein der „Hamburg-Altonaer Gastwirte" die Anteilsmehrheit übernommen hatte, hieß der Betrieb fortan „Vereinsbrauerei der Hamburg-Altonaer Gastwirte" (8). Die neuen Eigner produzierten fortan das „Bergedorfer Lager Beer", dass weltweit bekannt wurde. Unter anderem erhielt es zwischen 1880 und 1888 internationale Auszeichnungen – wie Prämien und Goldmedaillen in Melbourne, Caracas, Amsterdam, London und Barcelona (9). Das Geschäft mit dem Bier florierte. 1887 soll die Vereinsbrauerei mit 75 Mitarbeitern und 38.785 Hektolitern Jahresproduktion zu den größten Brauereien in Hamburg und Umgebung gehört haben (10). Historische Fotos zeigen, dass bereits Ende des 19. Jahrhunderts viel Bier für den Export produziert wurde. So sind Angestellte der Brauerei vor versandfertigen Bierkisten zu sehen. Die Flaschen wurden damals mit dünnen Strohmatten umwickelt und sorgfältig in Holzkisten verpackt, damit sie selbst weite Schiffsreisen überstehen konnten (11).
Trotz des weltweiten Absatzes endete auch die Geschichte der Vereinsbrauerei nach verhältnismäßig kurzer Zeit. 1914 wurde der Bergedorfer Betrieb von der Hamburger Holsten-Brauerei übernommen, die bald darauf die Produktion auf dem Geesthang einstellt. Hintergrund sollen schon vor knapp 100 Jahren wirtschaftliche Konzentrationsprozesse zur Ausschaltung unliebsamer Konkurrenz durch Aufkauf gewesen sein (12).
„Bergedorf Beer" blieb hingegen erhalten – bis heute. Allerdings war bei der Übernahme durch Holsten eine Klausel ausgehandelt worden, dass die Marke nur noch exportiert werden darf (13). So waren und sind die Flaschen nur in Westafrika erhältlich. Im nigerianischen Umuahia stellt mittlerweile eine Brauerei den Gerstensaft in Lizenz her. In Bergedorf wurde das Getränk 1959 nachweislich zum letzten Mal ausgeschenkt: Ausnahmsweise gab es das kühle Blonde zur Eröffnung des neugestalteten Gasthofs „Stadt Hamburg" (14). Heute verhindert das Deutsche Reinheitsgebot den Ausschank.
Die Flaschen und Dosen des „Bergedorf Beer" tragen die nach wie vor das Abbild der alten Bergedorfer Brauerei auf dem Etikett – die realen Gebäude fielen hingegen im Dezember 1965 einem Feuer zum Opfer (15). Geblieben ist nur der teilweise zweistöckige Eiskeller. Er wurde unter anderem als Gaststätte und Unterstand für einen Automobilclub genutzt. Unbestätigten Angaben zur Folge soll es nach dem Zweiten Weltkrieg auch eine Champignonzucht in den Räumen gegeben haben. Ebenso unbelegt sind derzeit noch Aussagen, dass die Gewölbe im Zweiten Weltkrieg Anwohnern als Luftschutzräume dienten.
Die aus Ziegelsteinen gemauerten Gewölbegänge wurden 1984 mit mehreren Wohnblöcken überbaut und beherbergen heute unter anderem eine Garage, Lager, Trockenräume und ein Vereinslokal. Der überwiegende Teil der Gänge ist trotz der Nutzung nahezu im Originalzustand. Noch immer sind die mächtigen Keller überwiegend trocken und kühl. Schieneneinfassungen auf dem Boden lassen auf einen Lorenbetrieb schließen. Erhaltene hölzerne Luken deuten auf ein Transportsystem für Fässer oder Eisblöcke hin. Selbst Reste der vermutlich ursprünglichen elektrischen Verkabelung lassen sich an den Wänden erkennen. Zusammen mit den ebenfalls noch vorhandenen Brauereiteichen wird das Ensemble als „denkmalwerte Gesamtanlage" (16) eingeschätzt.
Anmerkungen<//u>(1) Alfred Dreckmann (Hrsg.): Bergedorfer Industrie I, Hamburg-Bergedorf 1992, S. 93.(2) Ebd.(3) Agnes Seemann: Denkmaltopographie Bergedorf Lohbrügge, Hamburg 1997, S. 178.(4) Manuscript „Die Actien-Brauerei zu Bergedorf vom Mai 1863", in: Dreckmann, S. 96(5) vgl. de.wikipedia.org/wiki/Bier (Zugriff 27.7.2006)(6) vgl. de.wikipedia.org/wiki/Eiskeller (Zugriff 27.7.2006)(7) Dreckmann, S. 97(8) Deckmann, S. 100(9) Ebd.(10) Ebd.(11) vgl. www.bergedorf-info.de/historisches/beer.htm (Zugriff 27.7.2006)(12) Dreckmann, S. 100(13) Ebd.(14) vgl. www.bergedorf-info.de/historisches/beer.htm (Zugriff 27.7.2006)(15) Ebd.(16) Seemann, S. 178 | ||||||||||||||||||||||||
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