Autor: R.Rossig
Im innenstadtnahen Borgfelde lag ein bisher unbekanntes Bauwerk von einmaliger Schönheit und Größe vergraben. Unter den kriegszerstörten und wiederaufgebauten Resten einer alten Brauerei befand sich bis zum August 2011 ein nahezu original erhaltener Bierkeller aus der Zeit der 1870er- Jahren.
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Gekauft wurde das Gelände an der Klaus-Groth-Straße (früher Mittelstraße) von der Bergedorfer Actienbrauerei in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts (1). Im Jahre 1874 wurde die Liegenschaft verkauft und bebaut von der "Vereinsbrauerei der Hamburg-Altonaer Gastwirthe" (2), sie war tätig in der Lagerbierproduktion. Erwähnt wird die Errichtung des Lagerbierkellers erstmalig im Jahre 1872 (3). Bier war in der beginnenden Industrialisierungsphase Deutschlands ein gutes Geschäft und so wurde mit der Brauerei viel Geld verdient. Der Verein der Gastwirte hatte bereits im Jahre 1874 die Aktienanteile der Bergedorfer Actienbrauerei übernommen und künftig an beiden Standorten in großen Mengen produziert (4). Hauptgeschäftsfeld war die Produktion von ober- und untergärigen Biersorten. Im Windschatten der Kolonialisierung Afrikas wurde das Bier sogar dorthin erfolgreich verkauft und exportiert.
An der heutigen Klaus-Groth-Straße kam es im Jahre 1891 zu einem Großbrand der das Brauereigebäude vollkommen zerstörte (5). In neuem Gewande wurde es wieder aufgebaut, bis im Jahre 1943 die Bomben das Antlitz der Brauerei erneut zerstörten. Kriegsbedingt wurden im Bierkeller Luftschutzeinbauten vorgenommen, die bis zum Abbruch noch deutlich zu erkennen waren. Die Geschichte der Brauerei sollte jedoch schon vorher beendet sein.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges waren die geschäftlichen Entwicklungen nicht für jede Brauerei von Erfolg gekrönt und so wurde es der Holstenbrauerei aus Altona möglich, die Aktienmehrheit an der Vereinsbrauerei und somit an dem Bergedorfer und Borgfelder Betrieb zu übernehmen. Die Produktion wurde im Jahre 1914 stillgelegt und die Konkurenz aus Hamburgs Osten damit endgültig beseitigt (6). Die von der Vereinsbrauerei produzierten Biersorten durften aus kartell-rechtlichen Gründen auf dem deutschen Markt nicht mehr vertrieben werden (7). Bereits im Jahre 1921 wurde die ehemalige Brauerei in einen Speditions- und Lagerhausbetrieb umgewandelt und auch der Besitzer wechselte (8).
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Teile der Brauerei wieder aufgebaut und, baulich stark verändert, bis zum Sommer 2011 genutzt. Aufgrund der umfangreichen Zerstörungen und der erheblich veränderten Optik des heutigen Kontorhauses, wurden die oberirdischen Bauten der ehemaligen Brauerei als "nicht denkmalwürdig" (9) eingestuft und ein Erhalt der Immobilie nebst Bierkeller "stünde nicht im öffentlichen Interesse" (9). Aus kunsthistorischer Sicht mag diese Entscheidung durchaus richtig erscheinen. Das Bauwerk ist weder stadtbildprägend, noch ist ein bauhistorischer Zusammenhang zwischen dem original erhaltenen Eiskeller und den, nach dem Kriege, nahezu neu errichteten oberirdischen Gebäudeteilen zu sehen. Aus sozialhistorischer Sicht ist die Entscheidung jedoch nicht zu verstehen! Der Eiskeller gibt sehr wohl ein geschichtliches Zeugnis ab. Er ist ein Abbild der Arbeitsbedingungen der damaligen Zeit. Beispielsweise wurden im Keller, bei geschätzten 8°C, die Bierflaschen in Strohmatten gewickelt und für den Export in Holzkisten verpackt. Diese Arbeit wurde vorzugsweise von Kindern (!) erledigt. Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurden Luftschutzeinbauten vorgenommen, obwohl die genaue Bedeutung nicht geklärt werden konnte, ließ sich daran die Funktion des Kellers für die Nachbarschaft erkennen. Wieviele Menschen mögen hier die Feuersturmnacht überlebt haben? Schlußendlich wurde mit der Beseitigung des Gebäudekomplexes auch noch der benachbarte "Malzweg" ad absurdum geführt, wie soll man nun dessen Bedeutung als ehemals einzige Zuwegung zum Brauereikomplex erklären....?
Der traurige Teil der Geschichte dieses Bauwerkes:
Aus Altersgründen hat der ehemalige Besitzer des gesamten Geländes die Liegenschaft im September 2010 an die Hamburger Unternehmensgruppe Becken verkauft. Bereits im April 2010 ist das Bauprüfverfahren abgeschloßen worden, dem ging eine Baubegehung voraus bei der der Bierkeller der prüfenden Behörde offensichtlich nicht gezeigt wurde (10). Somit wußten weder die Bauprüfabteilung des Bezirkes noch das Denkmalschutzamt von der Existenz der Kelleranlage und konnten auch keine entsprechenden Bedenken äußern oder negativ über deren Abriss entscheiden. Leider war tatsächlich mit einem Abriss zu rechnen, 48 Eigentumswohnungen sollen den Stadtteil zukünftig aufwerten und dafür werden entsprechende Tiefgaragenstellplätze vorgeschrieben, an eine Alternative wie autofreies Wohnen wurde offensichtlich nicht gedacht, Tiefgaragenstellplätze versprechen größere Einnahmen.
Aus dem Stadtteil heraus regte sich Widerstand gegen die Pläne der Firma Becken. Sowohl das Denkmalamt als auch die Bauprüfabteilung wurden mit Informationen über das Bauwerk versorgt und auf dessen Einzigartigkeit in der unterirdischen Landschaft Hamburger Bauten hingewiesen. Vor der endgültigen Abstimmung im Bauauschuß des Bezirkes Hamburg-Mitte wurde mit Vertretern der einzelnen Parteien über das Bauwerk gesprochen und auch entsprechendes Bildmaterial übereignet. Trotzdem wurde der Abrissantrag einstimmig (!) angenommen. Besonders traurig ist die Tatsache, dass es im Bieterverfahren noch zwei weitere Interessenten gegeben hatte, beide wollten sowohl die oberirdischen Gebäude als auch die Kelleranlagen erhalten. Einer der Bieter hatte sogar einen sechstelligen Mehrbetrag geboten....(11)
Die Planungen und Vorbereitungen zum Abriss der ehemaligen Brauerei und des Kellers waren schon Anfang des Jahres 2011 sehr weit vorangeschritten, erste Mietveträge gegen Geldzahlungen aufgehoben. Den restlichen Mietern wurde zum 1.6.2011 gekündigt. Politisch war der Erhalt des Bauwerkes leider auch nicht gewollt, der ehemalige Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (Zitat Anfang) "wollte dort dringend Wohnungen" (Zitat Ende)(12). Damit war für den "bürgernahen Bezirksbürgermeister"(13) alles ausgedrückt, zwei Gesprächsanfragen von unter-hamburg e.V. wurden schlicht ignoriert. Der Investor scheute Alternativen und/oder Umplanungen, schmälern sie doch die angestrebte Gewinnerwartung. Mit dem Gebäudekomplex verlor der Stadtteil Borgfelde nicht nur bezahlbaren Gewerberaum, sondern die Stadt Hamburg ein weiteres Baudenkmal und ein Zeugnis der Kultur des Bierbrauens und der Industrialisierung unwiederbringlich.
Alfred Lichtwark prägte den Begriff Freie und Abrissstadt Hamburg, selbst im Jahre 2011 muß man diesen offensichtlich erneut unterstreichen !
QUELLEN: (1) Auskunft Denkmalamt (2) Auskunft Denkmalamt (3) Bauakte (4) Alfred Dreckmann (Hrsg.): Bergedorfer Industrie, S.100 (5) Bauakte (6) Dreckmann, S.100 (7) Firmenchronik, 75 Jahre Holsten (8) Auskunft Denkmalamt (9) Auskunft Denkmalamt (10) Auskunft Stadtteilinitiative (11) Auskunft Stadtteilinitiative (12) Hamburger Abendblatt 8.3.2011 (13) spd-hh-mitte.de/markus-schreiber/
28.12. (Sa.) - Berliner Tor
29.12. (So.) - Berliner Tor
25.01. (Sa.) - Berliner Tor
16.02. (So.) - Berliner Tor
22.02. (Sa.) - Berliner Tor
16.03. (So.) - Berliner Tor
29.03. (Sa.) - Berliner Tor
01.06. (So.) - Berliner Tor
Momentan keine Planungen !